Das Experiment (6)

Auf der vorigen Inkarnation von Schachtelhalm (<a href="http://www.christian-grauer.de/shalm/shalm.cgi?action=frame">Schachtelhalm /old</a>) habe ich begonnen, von einem Experiment zu berichten, das sich mit der Rodung von Schachtelhalm befasste. Leider sind die Berichte aufgrund der dramatischen Ereignisse, welche diese Rodung ausgelöst haben, an einem bestimmten Punkte abgebrochen. Jetzt, nachdem die schlimmsten Folgen der Verwüstung behoben sind, möchte ich versuchen, den geneigten Leser über die vorläufigen Ergebnisse in Kenntnis zu setzen.<br />
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Wie wir wissen begann das Experiment mit dem Niederbrennen von Schachtelhalm aller Art: Grundsätze, Gewohnheiten, Axiome, Prinzipien, Wörter, Begriffe, Vorstellungen… was auch immer. Das Denken selbst, das all diesen Schachtelhalm hervorbringt, vernichtet ihn auch. Doch wenn alles verbrannt ist, erlischt die Feuersbrunst. Das Denken ist nichts ohne Gedachtes. Das ist das Dilemma des Rationalismus: so wie das Feuer nur aus dem lebt, das es vernichtet, so basiert der Rationalismus auf Irrationalismus. Die äscherne Steppe ist das, was vom Rationalismus übrigbleibt, wenn er sich ernst nimmt!<br />
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Das darf nicht sein, und so hatten wir im letzen Experiment noch festgestellt, dass etwas übrig sei, das bleibt. Etwas, das die Feuersbrunst überdauere und übrig bleibe. Eine Art Subsistenz des Feuers. Gleichsam ein Urfeuer, das weder brennt noch verbrennt sondern dem Feuer das Sein ist. "Ich" hatten wir es genannt. Subjekt nennen es viele. Schachtelhalm heißt es selbstverständlich auch.<br />
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Allein, das war ein Irrtum. Das Experiment hat das Gegenteil erwiesen. Und folglich war es ein gutes Experiment. Und da ist auch schon der Grund, warum der Bericht eingestellt wurde: der Berichterstatter ist mitverbrannt! Das Feuer erlosch und es blieb übrig: nichts! Kein Urfeuer, keine Subsistenz, kein Subjekt! Denn das Feuer ist nur da, solange es brennt. Es ist das Brennen selbst und nichts weiter als das Brennen. Und das, auf dem die Flamme ruht, das wird vom Feuer zerstört. Das Feuer ist die einzige echte Metapher des Denkens: es hat kein anderes Sein als das schiere brennen, es besteht im Vernichten von Materie und ist nur, sofern es brennt. <br />
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Zu glauben, hinter dem Denken verstecke sich ein Subjekt, das vor dem, nach dem und ohne das Denken da sein könnte, ist so absurd wie der Versuch, die Flamme festzuhalten, sie in die Tasche zu stecken und nach Hause zu tragen. Aber genau das wollen die Menschen und deswegen haben sie einen besonderen Schachtelhalm gezüchtet: die Taschenlampe. Mit ihr geht der Rationalist umher und glaubt, damit Licht ins Dunkel bringen zu können. Dabei strahlt er nur Gespenster und Schatten des Schachtelhalm an, den er als Flamme verzehren müsste, um ihn zu erkennen. <br />
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Rationalismus ist der Irrtum, man könne die Wahrheit erkennen, ohne sie zu vernichten. Als gäbe es eine Flamme, die nicht brennt.

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