Ich habe ja auf Facebook neulich kund getan, dass ich meine Musik-Bibliothek ausmiste und im Verlaufe dieser Tätigkeit bin ich auf einen Track gestoßen, der keine Musik ist, sondern eine Aufzeichnung eines Vortrages von mir, den ich vor ca. einer Milliarde Jahren gehalten habe. Das Thema war „Bewusstsein und Objektivität“ und gehalten wurde er in Witzenhausen, wo – wenn ich mich korrekt erinnere – das Institut für Biologisch-Dynamische Landwirtschaft der Gesamtuni Kassel beheimatet ist. Oder war? Und damals gab es wohl eine Diskussion über die Wissenschaftlichkeit der Biologisch-Dynamischen Landwirtschaft und ihre Berechtigung im Rahmen akademischer Wissenschaft stattzufinden. In diesem Kontext fand ein Kolloquium oder ähnliches statt, in dessen Kontext wiederum ich gebeten wurde, einen Vortrag zum Thema „Bewusstsein und Objektivität“ zu halten. Wie es zu dieser Einladung kam und warum, erinnere ich leider nicht mehr, das ist aber auch egal. Es muss wohl relativ kurz nach der Erscheinung meines ersten Buches gewesen sein, denn der Inhalt des Vortrages lehnt sich sehr stark daran an.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Vorbereitung dieses Vortrages. Sein Inhalt stand mir sehr klar vor Augen – wesentliche Teile habe ich meiner normalen Arbeitsweise folgend auf der Zugfahrt nach Witzenhausen verfasst – und ich war mir sicher, eine sehr gute These in diesem Vortrag zu formulieren. Leider erinnere ich mich aber auch noch, dass ich vollkommen scheiterte, diese These vernünftig vorzutragen. Die Leute waren trotzdem nett zu mir!
Jetzt bin ich also beim Aufräumen meiner Musikbibliothek über eine Datei gestolpert, deren Namen nur aus Zahlen bestand, weswegen ich sie anhörte, um herauszufinden, ob ich sie noch brauche. Und da hörte ich mich plötzlich selbst sprechen und es war mir furchtbar peinlich, dieses Gestotter und hilflose Suchen nach Worten anzuhören. Sich selbst zuzuhören ist an sich schon unerträglich, aber der Vortrag war wirklich schlecht. Aber trotzdem habe ich weiter gehört, weil: wenn man das, was ich da sagte – oder besser: sagen wollte – richtig gesagt hätte, dann wäre es richtig gut gewesen. Der Vortrag schlägt nämlich einen sehr weiten Bogen von all den erkenntnistheoretischen und konstruktivistischen Grundfragen zu der Frage, deretwegen ich eingeladen war, nämlich: was hat es mit der wissenschaftlichen Objektivität auf sich und ist der Objektivitätsbegriff wirklich das Ein und Alles wissenschaftlicher Erkenntnis?
Im Grunde war mein Auftrag ja – so habe ich das zumindest verstanden – eine Art wissenschaftstheoretische Rechtfertigung für anthroposophische Wissenschaft aus dem Konstruktivismus heraus zu destillieren. Und wenn man über den schlechten Vortrag hinweg hört und all das nicht gesagte und ungenau gesagte und halbrichtig dahergestotterte ergänzt, dann finde ich auch heute noch, dass da ein sehr brauchbarer Gedanke drin steckt, nicht zuletzt weil die Frage nach der Objektivität der Wissenschaft ja im Zusammenhang mit Corona eine ganz neue Dimension der Aktualität erfahren hat!
Immerhin hat mich der Vortrag trotz seiner mangelnden Qualität, trotz der Zumutung des sich selbst Hörens und obwohl ich ihn ja grundsätzlich schon kannte so sehr unterhalten, dass ich ihn ganz zu Ende gehört habe (möglicherweise natürlich nur eine Folge meiner intellektuellen Genügsamkeit…)
Falls also jemand Interesse daran haben sollte (und das dadurch beweist, dass er bis hier hin gelesen hat), dann mag er den Vortrag anhören (die Aufnahme entstand mit meinem damaligen Smartphone und ist auch akustisch nicht besonders gut…).
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