Sehr geehrter Herr Außenminister,
lieber Guido Westerwelle,
mit großer Sorge beobachte ich Ihre und damit die Haltung der Bundesrepublik Deutschland zu den Protesten in Ägypten. Zum ersten Mal seit 60 Jahren zeichnet sich eine Chance auf eine nachhaltige Bewegung in der Nahostproblematik, zum ersten Mal brechen für unbeugsam gehaltene islamistische Strukturen auf. Und was macht die Bundesregierung, wie verhält sich der angeblich liberale Außenminister? Sie ziehen sich auf eine formale Rechtfertigung einer Nichteinmischung zurück, die nicht nur Angesichts völlig konträrer Strategien im Irak, in Afghanistan und anderen Krisen absolut unglaubwürdig ist, sondern mit der Sie sich gleichwohl in erheblichem Maße einmischen: Sie unterstützen damit ohne Not das Regime eines Diktators, der seine Bürger auf der Straße ermorden lässt, der ihnen das Recht auf Meinungsfreiheit raubt und der einen demokratischen Prozess mit Gewalt verhindert. Statt das Ägyptische Volk mit Solidarität zu stützen und Deutschland klar auf die Seite der Freiheit zu positionieren, stehlen Sie sich mit feigen diplomatischen Ausreden aus der Verantwortung. Ich habe die FDP nicht gewählt, um von einem Außenminister repräsentiert zu werden, der islamistische Unterdrückungsregime unterstützt. Wenn diplomatisches Geschick mangels Alternativen eine formale Kooperation fordern, mag dies als Mittel zum Zweck legitim sein. Wenn aber die ägyptischen Bürger unter Einsatz ihres Lebens die Freiheit suchen und das Regime von innen nachhaltig in Bedrängnis bringen, dann ist es die Pflicht eines demokratischen Landes, diese Bewegung mit allen Kräften zu unterstützen, statt sie aus dem diplomatischen Hinterhalt in Gefahr zu bringen. Ich schäme mich dafür, Bürger eines Landes zu sein, das seine eigenen Prinzipien und Werte an einem seit 30 Jahren in Unterdrückung lebenden Volk verrät.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Christian Grauer