Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Unternehmer in Stuttgart und bezahle seit 1999 regelmäßig und zwangsweise einen Beitrag an die IHK. Ich darf daher erwarten, dass die IHK als Branchenverband nicht nur meine unternehmerischen, sondern auch meine politischen Interessen vertritt, soweit sie sich politisch äußert. Dass die Mitglieder der IHK heterogene politischen Interessen haben ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich muss es dann sein, dass die IHK als Verband, diese Interessen ebenso heterogen vertritt oder sich politischen insgesamt neutral verhält. Immerhin ist die Mitgliedschaft keine freiwillige sondern der Unternehmer wird per Gesetz dazu gezwungen.
Das Projekt Stuttgart 21 stößt nicht nur bei mir sondern bei einer ganzen Anzahl von Unternehmern auf Skepsis, insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmern. Allein in meinem Freundeskreis finden sich eine ganze Reihe Unternehmer, die sich, wie ich, an den Protesten beteiligen. Und gerade die Vertretung der kleinen und mittelständischen Unternehmen wird von Ihnen und den verantwortlichen Politikern immer wieder als Rechtfertigung der Notwendigkeit eines Zwangsverbandes, wie die IHK ihn darstellt, vorgebracht.Leider sehe ich mich aber in dieser Frage von Ihnen überhaupt nicht vertreten. Im Gegenteil stellt sich die IHK mittlerweile landesweit klar und deutlich und insbesondere parteiisch auf die Seite der Stuttgart 21 Befürworter und erweckt damit den Anschein, damit das homogene Meinungsbild der vertretenen Unternehmer darzustellen. Die IHK vertritt damit nicht die Interessen ihrer Mitglieder sondern macht sich zum Erfüllungsgehilfen von Parteipolitik und den Einzelinteressen eines halbstaatlichen Großunternehmens. Diese Parteinahme ist insbesondere unter dem Aspekt, dass sie gegen meinen Willen und zwangsweise mit meinen Mitgliederbeiträgen finanziert wird, eine Unverschämtheit. Dieser Missbrauch einer öffentlichen und mir aufgezwungenen Institution zur politischen Einflussnahme hat in meinen Augen totalitären Charakter und erinnert mehr an die Strukturen eines sozialistischen Staates als an die einer Demokratischen Marktwirtschaft. Sie übertreten damit nicht nur Ihre Kompetenzen sondern sie fügen der Demokratie und dem freien aber fairen Wettbewerb der Unternehmer großen Schaden zu!Ich fordere Sie dazu auf, in Ihren Publikationen und Veranstaltungen den Gegenpositionen zu Stuttgart 21 zumindest jenen Raum zu geben, der die Meinungsstruktur Ihrer Mitglieder abbildet und Vor- und Nachteile des Projektes sachlich zu erörtern. Da ich keine Möglichkeit habe, die IHK zu verlassen – es sei denn durch Aufgabe meines Unternehmens – erkläre ich hiermit öffentlich, dass ich mich als Mitglied von der Haltung der IHK in dieser Sache entschieden distanziere und ich entziehe Ihnen hiermit öffentlich das Mandat, in meinem Sinne und meinem Interesse als Unternehmer zu sprechen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Grauer
Geschäftsführer
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DIE ANTWORT VON ANDREAS RICHTER, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DER IHK STUTTGART:
Sehr geehrter Herr Grauer,
die Haltung der IHK zu S 21 ist keine Unverschämtheit sondern Konsequenz der gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung zu den Industrie- und Handelskammern. Weder ist die IHK ein Verband (sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts) noch ist sie zu einer schweigenden Neutralität verpflichtet. Vielmehr hat sie die Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen abzuwägen und diese dann auch zu vertreten. Wir fügen der Demokratie damit keinen Schaden zu sondern sind vielmehr Teil dieses Systems, hinter dem wir stehen. Demokratie bedeutet eben nicht nicht Meinungs- und Positionslosigkeit. Haltung, Position und Kurs der IHK bestimmen die in die Vollversammlung in freien und geheimen Wahlen gewählten Mitglieder der Vollversammlung, die sich aus Vertretern kleiner, mittlere und großer Unternehmen zusammensetzen, wobei die kleinen und mittleren Unternehmen ein wesentlich größeres Stimmgewicht haben. Sie selbst können sich als IHK-Mitglied durch eine aktive Kandidatur sowie durch eine Teilnahme an den Wahlen zur Vollversammlung beteiligen und somit Einfluss auf die Zusammensetzung des Gremium ausüben. Auf unserer Homepage finden Sie die Personen, die in der Vollversammlung und in den Bezirksversammlungen ehrenamtlich mitwirken. Ich empfehle ihnen zu prüfen, ob Sie diesen Unternehmern wirklich unterstellen wollen, dass diese sich zum Erfüllungsgehilfen der Bahn oder irgendeiner Partei machen. Dass die IHK Respekt vor der Haltung der Gegner von S 21 zeigt, mögen Sie an den Hinweisen auf unserer Homepage erkennen, mit denen wir ausdrücklich den Zugang zu deren Informationen und Positionen darlegen. Unsere Dienstleistungen bieten wir auch gerne Ihnen ausdrücklich an. Falls gewünscht, besucht ein MItarbeiter unseres Hauses Sie gerne in Ihrem Unternehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Richter
Hauptgeschäftsführer
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MEINE ANTWORT AN HERRN RICHTER:
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Antwort! Dass Sie mit dem Verweis auf die Vollversammlung und eine mögliche Teilnahme argumentieren, zeigt mir, dass Sie mein Anliegen und das Anliegen vieler anderer Mitglieder (http://www.facebook.com/pages/Unternehmer-gegen-Stuttgart21/168899786459493) nicht verstanden haben.
Ich habe nicht gefordert, dass Sie sich zur schweigenden Neutralität verpflichten, sondern dass Sie die heterogenen Interessen ALLER Mitglieder vertreten und nicht den Anschein erwecken, die IHK und die von ihr vertretenen Mitglieder einstimmig zu vertreten, so wie Sie das auf Ihrer Website, auf die Sie freundlicherweise verwiesen haben, darstellen: „Die Vollversammlungen der beiden großen Wirtschaftskammern in der Region Stuttgart haben sich einstimmig zu dem Projekt bekannt.“ Der Bundesverband für freie Kammern e.V. teilt unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.6.2010 die Ansicht, dass die IHK und Kammern „sich sachlich und zurückhaltend zu äußern haben. Und dass sie ggf. auch Minderheitenvoten der Mitglieder darzustellen haben“ (http://www.bffk.de/aktuelles/ihk-stuttgart-unbelehrbar-.html). Ich möchte Ihnen diese Seite zur Lektüre empfehlen, weil sie meine vielleicht etwas emotionale Kritik sehr sachlich und sicherlich qualifizierter darstellt. Ich bin Unternehmer und kein Kammerexperte, deswegen bitte ich um Nachsicht, wenn ich die IHK fälschlich als Verband bezeichnet habe.
Dass mir die Möglichkeit zur Teilnahme an der Vollversammlung offen steht, ist richtig, entbindet aber diese Vollversammlung nicht von der Pflicht, im Sinne des oben zitierten Urteils die Interessen aller Mitglieder zu vertreten, auch wenn sie sich nicht in der IHK engagieren. Meine zwangsweise eingezogenen Mitgliedschaftsbeiträge legitimieren dies bereits ausreichend, da dem Wesen der Sache entsprechend nicht jeder Unternehmer sich in die Vollversammlung wählen lassen kann. Im übrigen steht die Legitimation einer Parteinahme der IHK für Stuttgart 21 auch angesichts einer fehlenden, auf sachpolitische Programmatik ausgerichteten Wahlordnung, sowie einer nicht gleichheitlichen sondern gewichteten Wahl sehr in Frage. Genau deswegen stellt auch das Bundesverwaltungsgericht fest: „Das setzt voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren. Damit sind nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließt; die notwendige Objektivität verlangt auch eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen. Da das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft Bezugspunkt der Aufgabenwahrnehmung ist und dies eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erfordert, muss eine Äußerung, die zu besonders umstrittenen Themen erfolgt, auch diese Abwägung erkennen lassen.“ (http://www.bffk.de/files/8_c_20.09-_politisches_mandat.pdf)
Ich kann in den Äußerungen der IHK Stuttgart diese Abwägung in keiner Weise erkennen. Und das Allerletzte ist schließlich der Werbelink für Stuttgart 21, den Sie in der Signatur Ihrer E-Mail an mich untergebracht haben und der in diesem Kontext den Eindruck erweckt, als handle es sich geradezu um ein Projekt der IHK! Ich kann mich nur wundern, in welchem Maße Sie bereit sind, sich in die eigene Tasche zu lügen, und muss Sie daher weiterhin auffordern, für eine abgewogene Darstellung der Interessen und Meinungen Ihrer Mitglieder zu sorgen!
Viele Grüße,
Christian Grauer
Geschäftsführer
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2. ANTWORT VON ANDREAS RICHTER, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DER IHK STUTTGART:
Sehr geehrter Herr Grauer,
haben Sie bitte Verständnis dafür, dass die Interpretation des Leipziger Urteils durch den BffK angewandt auf die Positionierung der IHK bei S 21 sich nicht mit den Schlussfolgerungen deckt, die wir aus dem Spruch des Bundesverwaltungsgerichts ziehen. Wenn Sie sich die Mühe machen, die Darstellungen der IHK aufmerksam zu verfolgen, werden Sie sehr wohl auf Hinweise stoßen, dass zu diesem Thema auch andere Meinungen im Kreis der Mitgliedsunternehmen existieren. Sie werden auch lange und vergeblich suchen müssen, um auf eine offizielle Äußerung der IHK zu stoßen, die unsachlich und polemisch mit dem Thema umgeht. Unsere Berichterstattung im IHK-Magazin enthält mehrfach deutliche Hinweise, dass es auch Gegner von S 21 unter den Mitgliedsunternehmen gibt, die Hinterlegungen auf unserer Homepage nennen Links zu den Argumentationen und Positionen der Gegner. Auf unserer Homepage werden unter anderem die beiden Varianten S 21 und K 21 gegenübergestellt. Mittlerweile wurde den Medien auf Anfrage auch die Zahl derjenigen Betriebe übermittelt, die sich per Mail und per Brief gegen die Haltung der Vollversammlung gewandt haben. Auch bei den anstehenden Veranstaltungen der IHK zu S 21 und der Neubaustrecke nach Ulm werden im Rahmen eines Austausch von Positionen die Gegner von S 21 die Möglichkeit haben, sich zu äußern wie es auch bei allen anderen Veranstaltungen dieser Art der Fall gewesen ist. Der Gruppierung Unternehmer gegen S 21 haben wir Gespräche angeboten. Und auf jedes Mail, das uns wie das Ihrige erreicht, antworten wir persönlich. Ich hoffe, dies vermittelt Ihnen zumindest, dass wir die Position jedes IHK-Mitglieds ernst nehmen und mit Respekt begegnen. Die Haltung der IHK wird indes unverändert durch die Vollversammlung bestimmt und diese bewegt sich voll im gesetzlichen Rahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Richter
Hauptgeschäftsführer
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MEINE ERNEUTE ANTWORT:
Sehr geehrter Herr Richter,
in einem haben Sie Recht: dass Sie meine Mails persönlich beantworten, findet in der Tat meinen Respekt! Aber Ihr erster Satz ist so faszinierend, dass ich mir eine letzte Bemerkung dazu nicht verkneifen kann. Ich beneide die euphemistische Eloquenz mit der Sie die Tatsache umschreiben, dass Sie sich um Urteile des Bundesverwaltungsgericht einen Dreck scheren. So finden wir eine Einigung vielleicht zumindest in der Formulierung, wenn ich Sie ebenfalls um Verständnis bitte, dass Ihre Interpretation der Haltung der IHK sich nicht mit den Schlussfolgerungen decken, die ich aus der parteiischen Berichterstattung und den einseitigen Dokumentationen auf Ihrer Website ziehe.
Viele Grüße,
Christian Grauer
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